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Prüfer im Nebel
EY Trotz zahlreicher Warnhinweise zeichneten die Abschlussprüfer immer wieder die teils erfundenen Bilanzen von Wirecard ab. Die Versäumnisse drohen den Testatriesen nun zu zerreißen.

Gleich im Januar macht Manfred Knof (55) seinen ersten Zug. Der Commerzbank-Chef will mit den Hinterlassenschaften seines Vorgängers aufräumen, und dazu gehört auch eine Abschreibung von 175 Millionen Euro aus dem Sommer 2020. Der Kredit an den Zahlungsdienstleister Wirecard war nach dessen Pleite perdu. Knof aber will das Geld wiederhaben.
Bei den ehemaligen Vorständen Markus Braun (51) und Jan Marsalek (40) ist nicht viel zu holen, bei den Wirtschaftsprüfern von EY rechnet er sich Chancen aus. Ohne deren Testate, so Knofs Kalkül, hätte sich Wirecard kaum zum wahrscheinlich größten Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte entwickeln können. Deshalb setzt er die Frankfurter Dependance der britisch-australischen Lawfirm Ashurst in Marsch. Zusammen mit der auf forensische Beratung spezialisierten Consultingfirma Alvarez & Marsal sollen die Juristen genügend Material für eine Klage zusammentragen. Noch agieren die Truppen im Geheimen, aber es besteht kein Zweifel, dass Knof demnächst die Sache mit Verve ausfechten wird.
Der nächste Schlag trifft EY zwei Wochen später in aller Öffentlichkeit: Auf der Hauptversammlung des Siemens-Konzerns kündigt Finanzchef Ralf Thomas (59) einen Prüferwechsel bis spätestens zum Oktober 2023 an. Erst 2019 hatte der Konzern das Mandat neu ausgeschrieben und wieder an EY vergeben. Dass Siemens von der Fahne geht, ist die erste spürbare Folge der verschärften Rotationsregeln, die Finanzminister Olaf Scholz (SPD; 62) nach der Pleite auf den Weg gebracht hatte.